O Q G C S
O: das ist die Sonne. Dort oben hoch, wo Morgenrot,
ohn’ Sorg’, ohn’ Not, ob Donner droht,
Gott loben fromm, schon vor dem Tod.
Glockentöniges O, seltsames gezisch erhabener posaunen,
Kometenbahn, Astronomenzeichen und – Omega.
Das Mittel ist ein O: es ist ein Augenblick,
Betonung im Nordosten und Südwesten.
Schwingend wie rote Bronze,
Groß und wuchtend malt ihr: Not und Tod.
Qualität und Quantität.
Q: ist die Kruppe mit dem Schweif,
dem Abstrich am Q,
schlicht: ein O mit angefügtem Schwanz,
quasi: eine Qualle.
Der Dudelsack schwimmt mit seinem Balg auf den Winden.
Chodische Lieder langsam pfeift er auf seiner Pfeife.
Querverweis:
ein kurzer Schweif vermeidet Querelen,
ein langer Schwung ist jedoch ausdrucksstark und dramatisch.
Der dicke Stamm des G färbt diese Glyphe deutlich dunkler.
G: das ist das Horn.
Doch das girrende G, leitet schon den runden Gaum ihr der Gier
Und das Glück, treulos und immer glatt,
Stehet unter denen Dingen, die sich auff ein G anheben:
Gold, Geld, Gut, Geschencke, Gaben, Gunst, Gewin, Gewalt, Geschicke,
Glaube, Glimpff, Gesund, Gewissen und mit einem Worte: Glücke
Das G erwirbt dem Werke seinen Sinn:
Ganz wie du dich verhältst, ob schlecht, ob gut,
macht’s dich zum Gauner, Gangster und Ganoven
oder Gentleman.
Grob gesprochen entsteht das C durch Tranchieren des O.
Offensichtlich sind O und C verwandte Zeichen,
C – ist die Sichel, der Mond.
Es strahlt wie der Mond über dem Wasser.
Nimm ab! Erlisch o großer Mond,
damit das C nicht kippt.
Es senkt sich sacht die Sonne, schwarze Luft
in den Steppen des Schwarzen Indien.
Des Westwinds Säuseln leis erst kräuselt’s,
das Wasser, bis es saust und braust.
und im Sturm steht das S – steil und stark,
und es zischen die Wasser schäumend über Ertrinkende.
B P R D U J
Bebend wagt sich das B aus einer Birke Bild,
ein kleines Bild von der Brust der Geliebten.
Bald bebt im Purpur die blonde Braut –
betoniert – bleich und betrübt blickt sie,
als berste ihr bang die bebende Brust.
Gleichsam die Wangen blähend bläst das B
Trompete und spielt dem Unwissenden auf:
B – das ist das D auf dem D, Rücken auf Rücken: der Buckel.
Und das hochherrsche R dreht, ein Reaktionär,
das Rad zurück und beraubt uns rasch.
Das R – ist unerträglich hart!
RRR – dieses R von Raum und Röte.
Nun ja, es rasselt, knarrt und schnarrt.
R: das ist die Ruhe,
der Lastenträger, gestützt auf seinen Stab.
Während dem R sein Bein unterstützend zur Seite steht,
leistet die deutlich vergrößerte Punze des P die harmonische Grauwertbalance allein.
P: das ist der aufrechtstehende Lastenträger
mit dem Packen auf dem Rücken,
das P springt mit Galopp über Gestrüpp und Klipp,
bei P löst sich Lippe von Lipp.
et cetera pp: fahre fort, fahre fort
D: das ist der Rücken,
ein Bogen der sich vom Westen her spannt,
ein Indianer hat eine Spur auf dem Boden erblickt,
der Mond nimmt zu –
So wollen wir beherzigen, was er sagt:
Fort mit der Demut dürft’ger Tracht!
Nicht deucht dich’s dumm und töricht doch,
Daß dort der düst’re Tod dir droht,
Der tobend dröhnt und leicht dich trifft! –
U: ist die Urne,
Dunkles, gruftdunkles U, summend wie Juninacht!
Groß und wuchtend malt ihr: Ruh und Ruhende.
Unter dunklen Uferulmen wurdest du –
ruhmlos ruhend – nun gefunden.
Du erinnerst an unsere stille Kindheit:
Ungefurcht und unbesudelt
lustvoll, munter, mutdurchdrungen – Zukunftstrunken,
unsere Jugend mundlos mundend.
Johlen und jauchzen: Juchu und Juchei!
J: ist Pflugschar und Füllhorn,
nasse Socke auf einer Wäscheleine,
ein unter die Schriftlinie greifender Haken jeglicher Art.
Einige biegen abrupt in die Diagonale
andere formen einen Halbkreis.
Jedoch ist auch ein stumpfes Ende oder elliptischer Tropfen möglich
I E F L T H
I: ist die Wurfmaschine, sie schleudert das Geschoß,
Zielstrebiges I, Himmel und Mittagslicht,
der elastische Körper einer Tänzerin, wie sie sich listig zieret,
wie sie friedlich, sinnig blickt,
Kniend liegt sie, lieblich sinnend.
Innig mild sich stillt vertieft –
ist dies Idyll hier nicht des Friedens Bild?
Wie innig wirkt’s, wie tief, wie himmelsmild!
Höchste Töne! Zitterndes Tirili, das aus der Lerche quillt:
Lieb, ach Liebe gewittert flammzüngig aus deinem Laut. –
I: ein abstrakter – gerader – Strich.
Drei Linien – ein langgezogener Ton erklingt:
E: im Weh und im Schnee, grell wie Messer jäh
schreckst das Herz du empor.
Drei Linien – jede ist gleich aufrichtig.
E: das sind Grundmauer, rechter Sockel, Konsole und Architrav –
die ganze Architektur des Hauses in einem einzigen Buchstaben.
Feder fein und ganz Mund, flammig wie Frühlingsluft,
flötenfriedlich – ach fühl im F die sanften Empfindungen.
Wieder spitzt sich ein anderer Mund zum Kuß
Geblieben ist nur Erinnerung, Gleichgültigkeit und Kühle.
Das F heißt Fron und Mühe und unschwer entsteht daraus ein zweites F:
Das ist Fortuna in Klammern: Glück und Vermögen.
L: das ist das Bein mit dem Fuß,
die Horizontale L
die vertikale Richtung.
Der Ingenieur weiß, daß du ihre kostbare Lyra bist,
Gymnasiasten nennen dich irrtümlich Winkelmaß,
dem Arbeiter leuchtest du –
als ein Lämpchen auf den Gleisen.
Das L lehrt dich mit Licht dem Schatten zu begegnen. –
Los, elender Lump, du listiger Lügner!
Leugne nicht länger, wenn’s Leben dir lieb!
Gott ist milde und lässt dir leise folgen der Liebe L.
T: das ist der Hammer, das Tor, der Turm, ein doppelter Galgen,
ein trauriger Gassenhauer auf den Tod.
Sein langer Querstrich lässt uns ein breites Zeichen sehen.
Es sind an ihm wohl Tausende gestorben.
Wer fände noch Trost nach solchem furchtbaren Eisbetritt?
Doch das schreckliche Wort – tönend wie Tubaton,
formt das doppelte T,
treffendstes, tiefstes Wort: Tod –
Der Mensch atmet ein –
der Mensch atmet aus –
atmet ein –
atmet aus –
ein –
aus –
und atmet schon nicht mehr.
Eh das H mit der Kraft heilige Höhe heilt das gebrochene Herz.
Ob auch ein Buchstab nur – H ist hoch:
Allem Leben, Atem ist sein erhabener Hauch.
A V W X
Alinea – einen Anfang machend,
Sprachen gar sangbar, zaghaft langsam,
aber wie Balsam legt labend
auf das Verzagte
sich das Amen des klaren A.
A: des sieghaften Adlers.
A: das ist das Dach, der Giebel mit seinem Querbalken
oder es ist die Umarmung zweier Freunde,
die sich küssen und sich die Hände geben,
ein Wendepunkt: an dem Aufstrich und Abstrich zusammenlaufen.
Vor allem das V muß man im Sinn behalten:
Ideen und Handlungen zu variieren sind.
V: das ist die Vase
in der viel-vielfachen Lilie des V von Victoria,
Reflex einer Pyramide im glühenden Sand,
Handflächen die eine Schüssel bilden.
Man verbinde eine fette –
und eine magere Diagonale in symmetrischem Winkel,
vorzugsweise von Innen verjüngt.
Die Dreiecksform treibt einen großen weißen Keil zwischen die Letter.
Ein kleiner Einschnitt bringt weitere Erleichterung.
Das V: Vorlage für das W.
Zwei verbreiterte V überlappen sich,
zwei verschmälerte V werden verbunden,
das rechte V beschneidet das linke.
W: eine VV-Ligatur, Kassiopeia, drei Dreiecke –
zwei stürzen, eines steigt auf.
W ist das Wasser, wenn Westwinde wehen.
Wellen, die wogend weich winken oder wallend wiegen
Aber Gott will uns gut, gab auch das weiche W,
das wie ein wohliger Wind über das Weinen weht.
Kreuzen sich zwei Linien unterschiedlicher Stärke:
X: Das Kainszeichen auf dem Kopf einer Kreuzotter,
X: die Ewigkeit,
X: das Gift,
X: gekreuzte Klingen, Kampf. Wer wird Sieger sein? –
Man weiß es nicht. Deshalb haben die Alchimisten das X als Zeichen des Schicksals gewählt. –
Jede Gleichung hat ihre Unbekannte.
Y K Z M N
Y: das ist der Baum,
die Weggabelung,
der Zusammenlauf zweier Flüsse,
der Kopf eines Esels,
ein Glas auf seinem Fuß,
eine Lilie auf ihrem Stiel in der kühlen Blumenvase des griechischen Y,
ein Bittender, der seine Arme gen Himmel hebt. –
Heute: bist du nur ein Spielzeug für Kinder,
Jedoch hat in einem fernen Jahrhundert
David mit seiner Schleuder Goliath erschlagen.
Ein Strahl fliegt hin – und wieder her
K: das ist Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel, eines der Grundgesetze der Optik.
Kappa hat einen Arm und ein Bein,
ist ausdrucksstark und Konsonant,
ein Hauch, entstoßen der Brust – wildes, empörtes K –
das voransteht der Kraft, das uns den Kampf befiehlt.
Krieg: kummerkrank kauerend, kaum karge Kost, krummgeknebelt, kalte Kette des Kerkers.
Nun nahen neue Wonnen, nun glänzt und grünt Natur,
von Hoffnungen trunken, in Ahnung versunken,
in Schnee und Regen, den Winden entgegen,
Den Sensenmann zum Lohn gegeben – Nennt’s Unsinn nun ein Menschenleben!
N: ist die versperrte Pforte mit ihrem diagonalen Balken,
ein näselnd Nein.
Z: Zeus mit seinem Antlitz (aus Blitzen)
gespitzt, erhitzt, geritzt, gereizt, entsetzt – von Schmerz zersetzt.
trotzdem ein recht zerbrechliches Zeichen,
Es schließt den Tanz, den Glanz und die Herzen zu.
M: ist das Gebirge oder das Lager, die Zeltstadt,
heller Stern der Chiromantie,
ein V – mit seitlich angefügten Beinen.
Wie dein Name aus Morgenröte
gab das M uns im Mahl, gab uns das Maß, den Mut.
War Mund heimatlich M, wahrhafter Mutterlaut!
Drei Beine hat das M, und auf drei Beinen steht des Menschen Macht.
Mit Armen im Kummer – in der Mitte, im Mittelpunkt,
marginal – kommt manchmal mehr Mut mit der Minne.
Ode To Letters is an experimental film that interprets the shapes and the pronounciations of the latin letters with the use of performance, sound and motion graphics.
It is devided into five verses. Each verse contains another group of letters that are similarly constructed.
Direction and production
Peter Meyer and Inga Plönnigs
Sound
Alexander Lehmann and Ole Plönnigs
Choreography
Inga Plönnigs
Performance
Marie-Delphine Rauhut
Eva Dreier
Susanne Rosenbohm
Birte Opitz
Wera Wahrendorf
An underlying layer of interpretation for choreography and sound is a poem by Peter Meyer and Inga Plönnigs.
The choreography and sound is based on this poem, which is a collage of various existing poems about the alphabet.
It is in German, you can see it on the left side.
Ode To Letters is an experimental film that interprets the shapes and the pronounciations of the latin letters with the use of performance, sound and motion graphics.
It is devided into five verses. Each verse contains another group of letters that are similarly constructed.
Direction and production
Peter Meyer and Inga Plönnigs
Sound
Alexander Lehmann and Ole Plönnigs
Choreography
Inga Plönnigs
Performance
Marie-Delphine Rauhut
Eva Dreier
Susanne Rosenbohm
Birte Opitz
Wera Wahrendorf
An underlying layer of interpretation for choreography and sound is a poem by Peter Meyer and Inga Plönnigs.
The choreography and sound is based on this poem, which is a collage of various existing poems about the alphabet.
It is in German, you can see it on the left side.